Nord statt Süd in Thailand
Nord statt Süd in Thailand

Nord statt Süd in Thailand

Dieses Mal läuft die Fliegerei reibungslos. Für unsere Verhältnisse. Am Flughafen in Kathmandu verkündet uns der nette Mann vom Check in, dass wir 16 kg Übergewicht haben. Da jedes Kilo 15 $ zusätzlich kostet, ziehen wir uns erstmal etwas zurück mit unserem Gepäckberg und beraten, was zu tun ist. Handgepäck maximaler auffüllen. Schuhe anziehen. Einige Dinge an die Putz-Didi verschenken. Doch das reicht nicht. Wir öffnen die Veloboxen und beginnen überflüssiges Polstermaterial herauszusäbeln. Schliesslich öffnen wir sämtliche Gepäcksgegenstände und sortieren nochmals kräftig aus- direkt auf die heimliche Beige hinter einer Säule und teilweise in den Mülleimer. Wir wundern uns schon etwas über die 16 Kilogramm. Schliesslich haben wir in Kathmandu unser Zelt, Matten, Schlafsäcke, die Winterkleider und die meisten Kochsachen Kathy überreicht, die das riesige Packet bereits nach Neuseeland mitgenommen hat.

Irgendwann sind die Hosensäcke prall gefüllt, die Handgepäckstücke erfüllen auf den ersten Blick die 7 kg- Regeln und wir nehmen erneut das Check in in Angriff. Ungläubig verkündet uns der Check-in-Herr, dass wir nun kein Übergepäck mehr hätten, und überreicht uns völlig berechtigt leicht misstrauisch unsere Boardingkarten. Wir sind ebenfalls sehr überrascht und erleichtert packen wir hinter der Säule das heimliche Mehrgepäck in unsere völlig überfüllen Handgepäcktaschen und machen uns auf den Weg in ein neues Land.

Vier Stunden und eine Zeitverschiebung später schleppt Louie unsere riesigen Velokartons in die Metro von Bangkok. Es ist Nacht und tropisch schwül und als wir in unserer Zielstation die Fahrräder zusammenbauen, kriegen wir gleich mal einen Vorgeschmack eines imposanten Monsunregenfalls.

Auch wenn alles reibungslos lief- der Tag war lang und so sinken wir in dem vorgebuchten Hostel bald in einen tiefen, AC-gekühlten ersten Schlaf in Thailand.

Der nächste Tag bringt einige neue Erkenntnisse: Vegetarisch Essen wird eine Herausforderung werden in diesem Land, wolkenlose Tage hier sind gnadenlos heiss und wir werden erst einmal einen Umweg in den Norden unternehmen. In einigen Tagen kann Louie endlich seinen neuen, neuseeländischen Pass auf der Botschaft in Bangkok entgegennehmen und ich muss mich einem offiziellen Health-Check unterzeihen, dessen Ergebnisse ich meinem Visumsantrag für Neuseeland beilegen muss. Ganz spontan beschliessen wir, die 80 Kilometer nach Ayutthaya zu fahren und von dort in einem grossen Bogen um Bangkok herum in den Süden ans Meer zu gelangen. Dort wollen wir unsere Räder für einen Tag einstellen und mit dem Bus für einen Tagestripp zurück nach Bangkok gelangen.

Viel zu spät am Tag radeln wir von unserem Hostel aus los in die Bruthitze. Wir sind nun wieder ein Stück näher beim Äquator und dementsprechend steil stahlt die Sonne auf die Erde nieder. Es dauert Stunden, bis wir die Vorgebiete von Bangkok hinter uns lassen und auf kleinen Nebenstrassen zwischen Kokosnusspalmen, Reisfeldern und Bananenstauden und hübschen Häusern dahinradeln. «Sa-vat-ni-ka/krap», grüssen wir die Locals, die in der Mittagshitze im Schatten sitzen und dösen oder plaudern.

Die kurzen Pausen sind zahlreich: Etwas kleines Essen oder trinken, einem riesigen Waran zuschauen, wie er neben der Strasse ins Gebüsch verschwindet, exotische Pflanzen bewundern und bestimmen, Pippipausen für Simone und und und. Um 14 Uhr hämmert die Sonne so brutal aus dem wolkenlosen Himmel, dass wir uns geschlagen geben und eine lange Mittagspause vor einem Ventilator einschieben. Sogar im Sitzen spüren wir die Schweisstropfen den Rücken runterrollen. Wir glänzen wie zwei Ölsardienen und wundern uns über die Thais, die auch bei über 35 °C noch Jeans tragen und so gar nicht verschwitzt wirken. Diese ersten Fahrtage lehren uns so einiges über dieses neue Land: Keinesfalls spricht hier jeder etwas English, wie wir das irgendwie angenommen haben. Google Translate lässt uns das erste mal auf unserer Reise so richtig im Stich. Einzelne Wörter übersetzt es zwar einigermassen brauchbar. Bei einfachen Sätzen aber kommt die Apps schnell ins Schleudern und so fühlen wir uns ziemlich sprachlos beziehungsweise beschränken sich die spannenden Dialoge mit den Einheimischen weitgehend auf theatralische Pantomime, auf Speisen-zeigen und breitem Lächeln.

Wir schaffen gerade mal 44 tropfende, Höhenmeterlose Kilometer. Dieser Teil von Thailand ist topfeben und kein einziger Hügel lockert die Horizontlinie auf. Diese reicht gerade mal bis zu den nächsten Bäumen oder Häusern und nur die zahlreichen Brücken erlauben uns kurze Einblicke in die Dörfchen und Flusssysteme.

Bei einem breiten Fluss versuchen wir ein Übernachtungsplätzchen zu finden. Wir sind mitten in einer ausgestorbenen Ortschaft irgendwo im Nirgendwo und es ist heiss. Die Wolken am Himmel versprechen etwas Regen… doch wie sich zeigen wird, hoffen wir vergebens. Die Briese hält sich in Grenzen und keine Abkühlung ist in Sicht. Der trübe Fluss lädt nicht zum Schwimmen ein- Das Wasser ist braun und undurchsichtig und wer weiss, was sich da alles für Kreaturen darin herumtreiben.

Auch Essen finden wir nicht. An der Hauptstrasse lockt ein 7/11 mit AC und seinem unglaublich inhaltslosen Angebot: Lächerlich verpackten Chips, Mikrowelle- und Kosmetikprodukten, Zuckersäften und Limonaden. Das kulinarische Highlight sind die Gestelle mit den Fertignudelsuppen, die man ganz handlich gleich vor Ort mit heissem Wasser anrühren kann. Schliesslich finden wir das einzige Restaurant im Ort und gönnen uns eine überteuerte Omlette-Suppe.

Doch die wahre Odyssee steht uns erst noch bevor: Heute wollen wir die erste Nacht in den Hängematten verbringen. Die Hängematten wollen nicht so recht bequem sein, wir haben noch kein System, wie wir die Moskitonetzte montieren und ich kriege Panik, dass ich bei der herrschenden Temperatur sämtliche Körperflüssigkeit herausschwitze und unser Baby austrocknet. Die Hängematte ist zu heiss, unsere Körper sind zu heiss, es ist und bleibt windstill und die Nacht zieht sich ewig in die Länge. Eine Nacht, die es in die Top 10 der unangenehmsten Nächte im Leben schafft.

Erstaunlich fröhlich legen wir am nächsten Tag die verbleibende Strecke nach Ayutthaya zurück. Ayutthaya ist eine antike Hauptstadt und unzählige buddhistische Tempelruinen zeugen von der einstigen Grösse. Die Stadt ist wie gemacht für Erkundungsfährtchen mit dem Fahrrad und hier finden wir problemlos schmackhaften «Streetfood» und bald auch eine wunderbare Unterkunft. Nach wie vor ist es heiss und immer wieder werden Pausen in gekühlten Läden oder Saftläden nötig. Ich recherchiere: Durchschnittlich zwei Wochen dauert es, bis sich der Körper an die tropische Hitze gewöhnt. Ach herrjeh!

Aus dem geplanten Pausentag in Ayutthaya werden zwei. Ich werde von Hitzewallungen und Kopfschmerzen geplagt und hüte erstmal das Bett, während Louie die spannende Ortschaft noch etwas weiter erkundet.

Für die Fahrt zurück auf die Höhe Bangkok und bis ans Meer benötigen wir weitere drei Tage. Das Strassennetz in Thailand ist unglaublich dicht: Bis in die kleinsten Siedlungen führen perfekte Teer oder sogar Betonstrassen. Schaut man sich das auf einer Karte an, scheint es, als wäre die Gegend komplett zugepflastert. In Realität bleibt aber erstaunlich viel Platz für erstaunlich viel Grün. Kanäle und Flüsse durchziehen die Landschaft und oft fahren wir durch dichte Wälder von Kokosnusspalmen, Bananenstauden und uns unbekannten Pflanzen. Auf den offeneren Flächen werden Reis, Orchideen und andere Zierpflanzen angebaut. In den kleinsten Ortschaften finden sich an den Strassenrändern kleine, offene Küchen, wo sich auch schon um 7 Uhr morgens gegrilltes Huhn und frische Fische kaufen lassen. Unsere Vorstellung von Morgenessen ist das nicht gerade, aber mangels Alternative finden wir uns auch mal mit einem scharfen, halbvegetarischen Curry um ab.

Nach einem Stopp bei einem ebenso grossen wie skurrilen «Dragon Tempel» fahren wir schliesslich in Samut Songkhram ein, wo wir unsere Fahrräder in einem Hostel einstellen und den Bus zurück nach Bangkok nehmen um unseren Büromissionen nachzukommen.

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2 Comments

  1. Iris

    Liebe Simone und Louie,
    das sind ja schöne Neuigkeiten! Herzliche Graulation und passt gut auf euch auf!
    Ich habe nach längerer Zeit eure Blog-Einträge nachgelesen und staune immer wieder was ihr alles erlebt. Da es diesen Sommer auch in der Schweiz sehr heiss ist (zwar sicher nicht wie bei euch), kann ich mit euch mitfühlen. Zum Glück waren wir zwischendurch im Norden in den Ferien wo die Temperaturen angenehmer waren..
    Geniesst weiterhin eure Reise und die interessanten Erfahrungen und Begegnungen. Alles Gute und liebe Grüsse aus Verscio iris

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