Der nächste Tag führt uns weiter durch waldige, wellige Gebiete entlang der Grenze. Die Gegend bietet wenig Abwechslung. Kautschukplantagen wechseln sich ab mit Palmölpflanzungen wechseln sich ab mit dichtem Wald. Die Siedlungen, die wir durchfahren, sind klein und einfach und beherbergen wohl vor allem die Bewirtschafter dieser Plantagen. Es bleibt heiss und schwül und wir tropfen uns den Kilometern entlang. Trotz meinen zahlreichen Pippipausen kommen wir vorwärts und treffen am Abend in einer grösseren Stadt ein. Auch dieser Ort liegt nicht direkt am nahen Meer, sondern wird mit diversen Flussmündungen an dieses angeschlossen. Das bedeutet: Kaum eine kühlende Briese, auch der Abend bleibt heiss und schwül und die Aussicht auf eine klebrige Nacht in den Hängematten ist wenig verlockend. Erneut gönnen wir uns ein gekühltes Zimmer. Solche finden wir meist sehr kurzfristig über booking.com zu glücklicherweise niedrigen Preisen: Hier in Thailand bedeutet günstig um die 10 Franken. AC ist zu diesem Preis mit drin und meist handelt es sich um sehr anständige Zimmer inklusive Nasszelle und frischen Frottiertüchern (eine wunderbare Abwechslung zu unseren miefenden Mikrofaserdingern). Trotz dem angenehmen Luxus sehnen wir uns nach Nächten draussen unter den Sternen. In diesem Klima sind die aber momentan nur am Meer mit dem kühlenden Wind einigermassen angenehm.
Auch der nächste Fahrtag bietet wenig Neues. Fried Rice mit Ei oder Fried Rice mit Tofu, frittierte Bananen als Snack zwischendurch, einmal täglich einen völlig übersüssten, eisgekühlten Grüntee, den wir mit Wasser locker um das Doppelte strecken.
Heute haben wir aber ein spannendes Ziel: Wir dürfen bei Alex, einem weiteren Warm Shower Host einfahren. Wir lesen jeweils, was die Gastgeber auf der Website über sich erzählen und es ist immer wieder hoch interessant, auf was für spannende Menschen und Geschichten wir dann treffen. Alex wohnt etwas abseits der Hauptstrasse in einem kleinen Dschungeldorf. Wild aussehenden jungen Männer auf ihren Motorrädern grüssen uns erstaunt, als wir mit unseren Rädern die kleine Strasse entlang tuckern. Dank dem Foto, das uns Alex gesendet hat, finden wir irgendwann das richtige Haus und nach einigem Klopfen öffnet uns ein hochgewachsener, weisshaarige Mann mit wachen Augen die Tür. Seine Leidenschaft für Fahrräder wird uns schon beim Anklopfen klar. Zwei Tourenräder mit diversen selbstgezimmerten Spezialeigenschaften stehen vor der Haustüre. Als uns Alex ins Innere des Hauses führt, staunen wir nicht schlecht, als wir weitere Tourenräder und Klappvelos herumstehen sehen. Ganz viel Fachsimpeln ist angesagt über die nächsten Stunden. Alex winkt uns durch die eng zusammengebauten Häuser- Aussen- und Innenraum sind kaum zu unterscheiden- und lädt uns erst einmal zu einem kleinen Teezeremoniell ein. Erlebt hat er schon so einiges in seinen über 70 Lebensjahren. Es scheint, dass er seit seinen Zwanzigern als Weltenbummler unterwegs ist. Schulbesuch in Frankreich, spirituelle Rituale in den Anden, Lebensjahre in den USA, Kandersteg und eine Heirat in Mexiko. Irgendwann in dieser Exstenz. Wie es ihn in dieses abgelegene Örtchen mitten im thailändischen Dschungel verschlagen hat, bleibt uns ein Rätsel. Hier lebt er mit der Familie seiner thailändischen Geschäftspartnerin Fai Tür an Tür in diesem riesigen offenen Haus, gemeinsam mit unzähligen Moskitos, Geckos, riesigen Spinnen und allerlei anderen Lebewesen. Alex und Fai betreiben in Phuket ein Massagesaloon und besitzen hier Land, auf welchem neben den üblichen beiden Produkten (Palmöl und Kautschuk) auch Kokospalmen und Fruchtbäume heranwachsen. Alex zeigt wenig Begeisterung für die ersten beiden Produkte. «They suck out the soil and after twenty years, you have to cut them all down”, stellt er trocken fest. Das Leben hier ist einfach und sehr naturnah. Die Menschen kennen noch die wilden Pflanzen und ihre nutzbaren Eigenschaften, fischen das Abendessen im Fluss und pflegen ihre Alten nach Möglichkeit bis zum Ende selbst. Fai schaut vorbei und stellt uns einen Teller mit frischen Guavas, einer Sternfrucht und frische Bananen hin. Wilde Elefanten gäbe es hier, die manchmal vorbeikommen und die Bananen essen. Giftige Schlagen habe es zwar, doch gebissen werde selten jemand, berichtet sie. Die Affensippen, die auf den umliegenden Hügeln zuhause sind, hören wir am Morgen rufen.
Alex hat nicht nur eine Leidenschaft für tolle Räder. Auch Ukulelen und Gitarren vermögen seine Aufmerksamkeit zu erregen. Voller Vertrauen reicht er uns seine edlen Stücke aus Mango- und Akazienholz und freudig klimpern wir drauf los. Was für eine Freude, nach all den Akapella-Liedern während dem Fahren einmal wieder mit Begleitung singen zu können!
Nach einem leckeren Abendessen aus frischem Fisch, Sticky Reis, Dahl und Suppe richten wir uns mit zwei Sofas, einem riesigen Ventilator und unserem Moskitonetz eine bequeme Schlafhöhle ein.
Nach weiteren spannenden Gesprächen über Meditationstechniken, körpereigene Drogen, Atemübungen und Klappvelos verabschieden wir uns am nächsten Morgen von Alex und radeln zurück auf die Hauptstrasse, ändern spontan unsere Route und steuern nun auf Phuket zu. Eigentlich wollten wir diese Insel umfahren. Zu touristisch, dachten wir. Mittlerweile haben sich aber einige Argumente angesammelt, die uns zu der Richtungsänderung motivieren. Ich muss einen anständigen Ultraschall machen, nahe Phuket gibt es einen Decathlon (Genau- der ist international und ein ziemlich verlässlicher Freund geworden) und wir hoffen, mit Fähren über zwei weitere Inseln wieder zurück aufs Festland Richtung Krabi zu gelangen. Ausserdem verspricht die Fahrt nach Phuket bedeutend mehr Strandzugang, als die Alternative der Küste entlang.
Die Insel Phuket lässt sich bequem über eine Brücke erreichen und wir schliessen die Insel sofort ins Herz. «Welcome to Phuket», ruft uns ein alter Mann auf Fahrrad entgegen. Ein leckerer Papayasalatstand und eine einladende Bucht sind auch gleich gefunden und endlich endlich können wir uns im salzigen Nass etwas abkühlen. Dieser Teil von Phuket ist alles andere als touristisch und nach der unangenehmen Bekanntschaft mit den fiesen kleinen Sandfliege, die uns sehr effizient aus der menschenleeren Badebucht verjagen, pedalen wir noch ein Stück weiter, um einen regensicheren Übernachtungsort zu finden. Bei einem kleinen Tempel werden wir fündig und glücklicherweise kühlt der nächtliche Regen die Luft angenehm ab.
Auf dem Weg nach Phuket lernen wir die hügelige Seite der Insel kennen. Die Strasse entlang der Westküste ist zum Teil so unglaublich steil, dass Louie mir sogar beim Stossen noch helfen muss. An unserem Pausentag mieten wir uns ausnahmsweise einen Scooter und erkunden prachtvolle Stände mit wilden Wellen, durchqueren absurde Resort-Gebiete, besuchen den Doktor (alles gut!) und verzweifeln am inexistenten Streetfoodangebot der Stadt.
Wenig traurig verlassen wir die Stadt Phuket und besteigen eine kleine, lokale Fähre, die auf die Insel Ko Yao Yai tuckert. Die Insel ist von muslimischen Fischern bewohnt und wir fühlen uns schon fast etwas zurückversetzt in den Iran. Familien sitzen auf mitgebrachten Decken auf dem Schattendeck, spielen mit den Kindern oder mit dem Natel. Die Männer tragen Sarong und Gebetsmütze, die Frauen sind überaus stilvoll verschleiert und alle lächeln uns freundlich an. Wer hätte das gedacht: Thailands Süden beheimatet zahllose muslimische Thais. Hier weckt uns morgens wieder der Gebetsruf, das Schweinefleisch in den Garküchen macht Platz für noch mehr Hühner und uns scheint, die Leute lernen in den Schulen etwas besser Englisch als die buddhistischen Thais. In den Dörfern treffen wir immer wieder auf kleine, schnuckelige Moscheen und die Menschen zeigen viel freundliches Interesse an uns. Uns gefällts und wir sind gespannt darauf, was uns auf der kleinen Insel erwartet.