Welcome to Iran!
Welcome to Iran!

Welcome to Iran!

Am 13. März ist es endlich so weit: Wir beladen unsere Fahrräder und fahren zum nahen Grenzübergang in den Iran. Auch nach vier Tagen in dieser wilden Gegend haben wir uns noch nicht satt gesehen an den felsigen, steilen Bergen, die sich hier auf beiden Seiten des Grenzflusses aufschichten. Auf der armenischen Seite werden Granatäpfel angebaut. Nur hier wächst diese armenische Nationalfrucht, die im ganzen Land auf Keramik, Stoffen, Schnitzereien und sogar als Wein präsent ist.

Der Grenzübergang ist für den Warenverkehr zwischen Armenien und Iran ausgelegt und wir schlängeln uns mit unseren Rädern zügig an den wartenden Lastern vorbei. Schliesslich überqueren wir alle drei den Grenzfluss und stehen nun auf iranischem Boden.

Die nächste Stunde gibt uns einen Vorgeschmack auf verschiedene Aspekte des Lebens im Iran: Bevor der Grenzbeamte unser Visa abstempelt, wird uns für einige Dollar eine völlig unnötige, völlig unbrauchbare Versicherung aufgezwungen. Dubiose Machenschaften auf sehr offizieller Ebene.  Andere Beamte stahlen uns an, fragen uns nach unserer Nationalität, loben die Schweiz und rufen uns fröhlich «Welcome to Iran» entgegen. Um Geld zu wechseln finden wir uns einen jungen Iraner, der wiederum einen Freund organisiert, der aus seinem Hosensack ein dickes Bündel Noten zieht. Gerechnet wird hier in Toman und nicht in Rial. Der Wechselkurs beträgt 1 zu 26, was aber 260`000 Rial bedeutet. Wir sind gelinde gesagt verwirrt. Wir wechseln unsere ersten 10 $ und verabschieden uns von Gregory, den es ans Kaspische Meer zieht. Das enge, steile Tal verschluckt und sofort und etwas ungläubig fahren wir nun auf iranischem Boden der armenisch-iranischen und später der aserbaidschanisch-iranischen Grenze entlang. Die Grenzsoldaten, die ganz alleine irgendwo in diesem Nirgendwo Wache Stehen nicken uns zu oder starren uns aus den gepanzerten Fahrzeugen interessiert an. Ansonsten gibt es wenig Verkehr hier.

Das Tal öffnet sich zu einer hügeligen Ebene und in der ersten Ortschaft blühen die Aprikosenbäume. Endlich lässt sich der Frühling erahnen! Nach über vier Monaten Kälte, Frieren und kahlen Bäumen sehnen wir uns nach Blättern, Grün und Sonnenwärme.

Wir durchfahren das kleine Städtchen Jolfa («Welcome to Iran!») und finden uns nach unserem 80 km Nachmittagsfahrt eine Bauruine als versteckter Zeltplatz.

Der nächste Tag ist wider Erwarten sonnig, doch ein beissend kalter Gegenwind macht uns die Weiterfahrt Richtung Marand trotzdem schwer. Gegen Abend erreichen wir die Stadt und widmen uns unserem nächsten Logistik-Projekt: Eine iranische Simkarte auftreiben. Das persische Neujahr steht vor der Tür und sämtliche Iraner sind am Einkaufen: Am Strassenrand wird Feuerwerk, gekeimter Weizen, Süssigkeiten und Goldfische angeboten und die Menschen strömen durch die engen Gehwege. Kichernde Mädchen tuscheln sich bei unserem Anblick «Tourist!» zu, Kinder starren selbstvergessen, Männer drehen die Köpfe oder grüssen interessiert. Bald spricht uns Bahram an. Louies Farsi wirkt bereits Wunder und der nette Mann zieht spontan mit uns durch die Strassen, bis wir in einer unscheinbaren Nebengasse finden, was wir suchen. Mittlerweile ist es dunkel geworden und wir sind wirklich froh, als uns Bahram anbietet, die Nacht bei seiner Familie zu verbringen.

Die Familie sind wie angekündigt Bahram`s Frau und zwei Kinder und etwas weniger angekündigt sein Bruder Behram, seine Schwester Leila samt Mann und Kind, und seine Eltern. Niemand spricht Englisch und so verständigen wir uns mit Louies Farsi-Brocken, unserem Translate- App und Händen und Füssen. Bald stellen wir fest: Wir sind noch gar nicht in «Farsi-Land» hier. Die Menschen nennen sich Aserbaidschaner oder Turks und sprechen einen türkischen Dialekt! Der grosse Raum, der Stube, Schlafzimmer und Empfangshalle in einem ist, ist mit wunderbaren, selbstgemachten Perserteppichen ausgelegt. In der Ecke lodert ein Gasofen und schon bald ist uns wohlig warm, wir trinken den obligaten Tee und freuen uns an dem leckeren Essen, welches auf dem grossen Sofra aufgetischt wird. Zum Essen wird im Hauptzimmer einfach ein Stoff- oder Plastiktuch auf die Teppiche ausgelegt, Teller und Löffel werden verteilt und dampfender Reis und Fladenbrot in die Mitte platziert. Zusätzlich werden in Schalen oder Tellern Gurme Sabzi (Gemüsebrühe mit Bohnen und Fleisch), Johghurt, Torschi (eingelegtes Gemüse), Salat und manchmal gebratenes Fleisch gereicht.  Im iranischen Wohnzimmer erübrigen sich Möbel weitgehend. Dank den zahlreichen Kissen und den edlen Teppichen lässt es sich bequem sitzen, auch wenn unsere gebeutelten Knie die langen Stunden im Schneidersitz nicht so grossartig finden.

 

Nach langen Gesprächen über das Leben im Iran, heimliche Freundinnen, unbeliebte Politiker und die schöne Schweiz werden die dünnen, erstaunlich bequemen Matratzen ausgerollt und wir versinken in einem wohlig warmen Schlaf.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen beginnt es zu schneien. Schnee. Kalt. Schon wieder. Immer noch. Dieser verdammte Winter will einfach nicht enden. Die Familie überredet uns einigermassen problemlos, einen weiteren Tag in Marand zu verbringen. Zum Morgenessen gibt es frisches Fladenbrot, Frischkäse, Marmelade und den obligaten Tee und schon kurz später sitzen wir mit Bahram und Behram in dessen Auto und holpern durch die Stadt, flitzen kurz durch den Basar und im Anschluss an den Arbeitsort von Behram. Heute scheint niemand richtig zu arbeiten und so können wir uns in Ruhe die Möbelwerkstatt anschauen. Offenbar ist Marand bekannt für die prunkvollen, hoffnungslos kitschigen Schmuckstühle, die wir schlichten Schweizer uns höchstens im Thronsaal von Versailles vorstellen können. In Behchrams Werkstatt werden die zugeschnittenen Teile zusammengebaut und in den weiteren Werkstätten können wir sämtliche weiteren Arbeitsschritte begutachten. Am eindrücklichsten ist definitiv die riesige CNC-Fräse, die im Akkord die verzierten Rücklehnen aussägt.

Den Nachmittag verbringen wir bei Behrams Familie am anderen Ende der Stadt. Gegen Abend gibt es wieder Action. Die Nachbarn haben sich um ein immer grösser werdendes Feuer versammelt und von überall her hören wir die Explosionen von Feuerwerk. Die Kinder und Frauen erschrecken sich gegenseitig mit Knallfröschen und erst als ein Bärtiger Mann auftaucht, verstehen wir, was die richtig lauten Knaller sind: Nach einer Vorwarnung wirf der Bärtige einen selbstgebauten Knallkörper gegen eine nahe Mauer. Das Ding detoniert mit einem lauten Wummern und wir werden alle in eine dicke Rauchwolke gehüllt. So geht das im Iran. Die Stimmung ist aufgekratzt und fröhlich, alle Lachen miteinander und wir werden wunderbar in die Menge integriert. Ganz besonders imponieren uns die forschen Nachbarsfrauen, die Feuerwerk entzünden und lautstark die Party anheizen. Klar- alle tragen das obligate Kopftuch, jedoch sagt das wirklich herzlich wenig über die Stellung oder das Selbstbewusstsein der Frauen hier aus. Bahram erklärt, dass die grossen Feuer und Feuerwerkskörper auch eine kleine Auflehnung gegen die unbeliebte Regierung sind. Das Fest ist zwar alt aber nicht offiziell und provoziert die Machthaber. Glücklicherweise tauchen keine Uniformen auf nach ein paar weiteren selbstgebastelten Minibomben aus Alufolie, Chlor und Petflaschen geniessen wir ein leckeres Abendessen im Kreise der Grossfamilie.

Es zuckt uns in den Füssen und trotz Kälte und bald einsetzendem Schnee brechen wir am nächsten Morgen Richtung Täbris auf.

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