Die Regenbogeninsel und ein grosser Sprung
Die Regenbogeninsel und ein grosser Sprung

Die Regenbogeninsel und ein grosser Sprung

Vom Hauptort Qeshm aus nehmen wir erneut eine Fähre zur viel kleineren Insel Hormuz. Die eher konservative Stimmung von Qeshm verpufft schon, als wir die Räder vom Landesteg zur Hafenstrasse schieben. Diese Insel scheint bunter, fröhlicher und offener. Modisch gekleidete Teheranerinnen kommen uns entgegen, die Gesichter stark geschminkt und operiert, die Kopftücher in stylische Turbane gebunden. Einladende kleine Restaurants zeigen an, dass der lange Fastenmonat nun wirklich zu Ende ist.

Vielleicht erinnert ihr euch an unseren heissen Mittag, den wir in Qeshm unter dem Schattendach der Moschee verbracht haben? An diesem Nachmittag zwischen Schwitzen, Moskitoabwehr und dösen erfasste mich plötzlich so eine richtige Hitzepanik: Noch weitere zwei Wochen wollten wir da auf den Inseln verbringen, dann mit der Fähre nach Dubai und von Dubai durch die Wüste bis nach Muskat fahren. In Muskat sollte nach drei langen Jahren das Wiedersehen mit Kathi, Louies Mutter, stattfinden. Weitere zwei Wochen Ferien in Oman wären gefolgt. Unser Wetter App meint dazu: Es ist heiss, es bleibt heiss und es wird nur noch heisser in diesem Teil der Erde. Heiss bedeutet in unserem Fall, dass wir bei 37 °C von «kühl» sprechen…

Mein Panikanfall hatte eine radikale Programmänderung zur Folge, die wir umgehend in Tat umsetzten. Wir telefonierten mit Kathi, die einigermassen erleichtert ihren Flug von Muskat nach Kathmandu umbuchte. Eingehende Recherchen der Fährenfahrpläne und der Ratschlag eines erfahrenen Reisebüromannes, lassen uns auch unsere unmittelbaren Pläne anpassen. Die Fähre nach Dubai streichen wir aus dem Programm, und buchen stattdessen einen Flug von Qeshm aus. Bei dieser Aktion sitzen wir vor einem kleinen Imbisslokal im Hafen von Hormuz und stellen fest, dass wir diesen Flug ohne iranische Kreditkarte gar nicht buchen können. Was also tun? Ich spreche zwei junge Frauen auf der Strasse an, versuche leicht nervös unser Problem zu erklären und so lernen wir Sarah aus Shiraz kennen, die uns geduldig weiterhilft. Glücklicherweise haben wir noch 200 $ in bar und so können wir den Flug begleichen. Phu! Glücklicherweise entdecken wir ebenfalls an diesem Nachmittag, dass wir für Indien ein Touristenvisum im Voraus beantragen müssen. Auch dieses Hindernis überwinden wir und hoffen nun, dass das Visum rechtzeitig bewilligt wird.

Nun ist der Weg frei, um die kleine Regenbogeninsel zu erkunden. Mittlerweile ist es dunkel und wir verlassen das Städtchen, um etwas Ausserhalb unser Zelt aufzustellen. Die Luft ist klebrig vom Salz und der Hitze und nur dank einer leichten Briese finden wir Schlaf.

Nur rund 23 km Länge hat die Strasse um die Insel rum. Die jungen Iraner mieten sich für diese Runde ein elektrisches Dreirad samt Fahrer, welcher dann die Gäste in einer kleinen Discofahrt um die unbewohnte Insel kutschiert. Dabei gibt es die obligaten Stopps bei den verschiedenen Attraktionen wie «Rainbow-Valley», «Silver- and Red-Beach», «Turtle-Beach» und «Salt-River». Wir nehmen die Runde unter unsere eigenen Räder und legen pro Tag sagenhafte 12 Kilometer zurück. Die Landschaft von Hormuz ist wirklich aussergewöhnlich. Spitzige, krustige Salzberge ragen in weiss, schwarz und rot in den stahlblauen Himmel. Die schmale Strasse schlängelt sich elegant zwischen den kantigen Hügeln durch und führt auch uns an den obligaten Attraktionen vorbei. Die Mittagshitze lässt sich nur im Schatten aushalten. An diesem ersten Tag finden wir diesen unter einem Palmblattdach, stärken uns immer mal wieder mit einem frischen Falafel vom Imbissstand und kühlen uns abseits der Touristenschwärme im Meer ab.

Ein Highlight ist der Blick von einer hohen Klippe hinunter auf den Schildkrötenstrand. Dank ein bisschen Geduld können wir tatsächlich die riesigen Seeschildkröten beim Luftholen beobachten.

Die zwei Tage in Hormuz vergehen trotz unerträglicher Hitze und für unsere letzte Nacht vor dem Flug nach Dubai hilft uns Sarah erneut aus: Sie und ihre Freundinnen haben in Hormuz eine Unterkunft gemietet und lassen uns in einem freien Zimmer (mit AC!) übernachten. Was für eine Wohltat! Die iranische Gastfreundschaft überbietet sich mal wieder selbst.

Am nächsten Morgen nehmen wir die Fähre zurück nach Qeshm, holen in einem Fahrradgeschäft zwei alte Fahrradboxen ab und machen uns in einer Seitengasse daran, unsere Räder auseinanderzubauen. Unser Gepäckberg scheint auf einmal riesig! Es ist wirklich Zeit, dass wir unsere Winterausrüstung loswerden!

Gerade so schaffen wir es, rechtszeitig alles in die zur Verfügung stehenden Behältnisse zu quetschen und uns ein Taxi zum Flughafen zu organisieren. Ein bisschen Klebeband hält die Heckklappe zu und tatsächlich: Die grossen Kartons zerschellen nicht auf der Strasse, sondern kommen heil beim Flughafen an.

Stunden später stehen wir in Dubai in der Warteschlange für den Check-in nach Indien und mühen uns mit einer weiteren dysfunktionalen Website ab. Covid-Formulare wollen ausgefüllt werden… Schliesslich klappt es und wir sind an der Reihe, unser umfangreiches Gepäck abzugeben. «I need to see your onward flight», verkündet da der Mann vom Check-In. “Sowas haben wir nicht, wir werden mit den Fahrrädern von Dehli nach Kathmandu fahren», erklären wir. Die Erklärungen geht hin- und her doch der Beamte besteht auf seiner Forderung. Arg gestresst buchen wir einen völlig unnötigen Flug von Dehli nach Kathmandu samt Kündigungsversicherung und zeigen dem Typ die Buchung. «I need your E-Ticket number», meint dieser gelangweilt und wir aktualisieren im 10 Sekunden- Takt unseren Email-Eingang. Nichts. « I have to close the check-in in 15 minutes”, werden wir informiert. Wir verhandeln, argumentieren, verwünschen die unfähige Firma (Finger weg von lastminute.com!), die uns das E-Ticket nicht sofort zukommen lässt und werden schliesslich am Check-in stehengelassen. Unser Flieger fliegt ohne uns, wir suchen uns eine ruhige Ecke und richten uns frustriert für eine Nacht im Flughafen ein.

Der nächste Tag vergeht mit Wut, Flughafenessen und Reorganisation. Wir buchen einen neuen Flug für den Abend und irgendwann am Nachmittag trudelt dann doch noch die vermaledeite E-Ticketnummer ein.

Mitten in der Nacht landen wir im heiss-schwülen Dehli, laden unsere Boxen in ein Prepaid Taxi, welches uns zwar an den gewünschten Ort fährt, jedoch einen Aufpreis für den Gepäcktransport verlangt. Wir bleiben hart, bestehen auf den Prepaid-Betrag und kriegen schon mal einen ersten Eindruck der aufreibenden und unfreundlichen Verhandlungsprozesse in Indien. Es ist zwei Uhr morgens und unser Hostel ist definitiv nicht dort, wo es auf der Karte eingezeichnet ist. Wir suchen und beraten uns und irgendwann taucht aus dem Nichts ein kleiner, schiefgewachsener Mann auf, der zufälligerweise unser gebuchtes Hostel kennt und uns den sehr verschlungenen Weg dorthin zeigt.

In den nächsten zwei Tagen freuen wir uns über das indische Durcheinander, schicken 10 kg Winterwaren nach Kathmandu, essen irgendwas, dass uns die Mägen versaut und machen uns auf den (Um-) Weg Richtung Haridwar. Louie per Velo und Magen sei Dank per Autostopp und ich mit dem Bus; ebenfalls ein eher unangenehmes Erlebnis.

Habe ich schon erwähnt, dass es auch in Indien unerträglich heiss ist? Es ist auch in Indien unerträglich heiss!

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