Bananen essen in Indien
Bananen essen in Indien

Bananen essen in Indien

In Haridwar ist was los! Die Stadt ist ein beliebtes Reiseziel für gläubige Hindus und gerade läuft die Pilgersaison auf Hochtouren. Trotz der Hitze sind die engen Gassen voller Menschen, die Kulfi-Eis essen, diverse Artikel für die obligaten Rituale im Fluss Ganges einkaufen und sich seltsamerweise mit wollenen Winterkleidern eindecken. Es riecht nach Essen, Hundekacke und Abgas und der Trubel wird mir bald zu viel. Ich finde uns ein schäbiges Hotelzimmer und döse Louies Ankunft entgegen.

Dank Autostopp trifft er schon am nächsten Vormittag ein und wir beschliessen, noch am gleichen Tag weitere 30 Kilometer anzuhängen, um uns in Rishikesh eine etwas angenehmere Unterkunft zu finden. Die Stecke führt uns auf einer kleinen Nebenstrasse einem Kanal entlang und durch wunderbaren Wald.

Trotz gelegentlicher Schwächeanfälle, Magenrumpeln und allgemeinem Unwohlsein schaffen wir es, die Schönheit der Strecke zu erkennen. Aus dem dichten Wald auf beiden Seiten hören wir wilde Hühner krähen, erspähen Affen, Pfauen und unzählige exotische Vögel und einige Bäume verleihen dem dichten Grün mit ihrer Blumenpracht prächtige Farbtupfer. Töff Fahrer kommen uns entgegen, doch im Gegensatz zum Iran scheinen wir hier keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen. Nur gelegentlich werden wir (zurück-) gegrüsst oder freundlich angehupt. Sobald der Abstand zu Louie genug gross ist, nutzen manche Vorbeifahrende die Gelegenheit, mich mit schmierigen, langgezogenen «Heeeey`s» anzusprechen. Iiik!

Die Suche nach einem Zimmer in Rishikesh gestaltet sich sehr schwierig. Trotz erbärmlicher Zufahrten und zweifelhafter Sauberkeit werden hier gerne mal stolze 40 Fr. pro Nacht verlangt. Nicht unbedingt akzeptabel für unser Budget. Auch zelten dürfen wir nirgends und schliesslich ergeben wir uns den Tatsachen, mieten uns erschöpft in einem AC-Dorm ein und versuchen unsere überhitzten Köper etwas runterzukühlen. Alles ist anstrengend. Sogar der Gang auf die Toilette. Louie und ich wechseln uns darin ab, wer gerade schlimmer dran ist. Wir fühlen uns komplett lustlos und möchten uns einfach schnell aus unserem Zustand rausbeamen. Keine Lust auf diese teure Yoga-Business fokussierte Gegend, in der wir gelandet sind, keine Lust auf die westlich orientierten jungen Inder, die hier das grosse Rafting- Abenteuer suchen, keine Lust auf Essen, aber trotzdem irgendwie hungrig. Der Abend vergeht, und ein neuer, klebriger Tag bricht an. Wir liegen im Bett und stellen fest, dass wir uns auch heute nicht besser fühlen. Ein unfreiwilliger Pausentag ist angezeigt. Unglücklicherweise ist das Hostel heute bereits komplett ausgebucht und wir sind gezwungen, uns erneut auf die mühsame Suche nach einer Unterkunft zu begeben. Wir wechseln vom Party-Hügel runter ins Pilgergebiet von Rishikesh und hier finden wir ein angenehmes Zimmer, welches auch in etwas unsere Preisvorstellung erfüllt. Gegen Abend überwinden wir uns zu einem Spaziergang durch das Pilgergewusel und ganz ein bisschen erahnen wir die Faszination, die diese Szenen doch eigentlich auslösen könnten. Für eine Weile sitzen wir am Flussufer uns gucken den Menschen beim Baden, Beten und Betteln zu. Ziemlich aufdringlich werden wir zu Selfies gezwungen und es fällt uns schwer, einigermassen glaubwürdig in die Kameras zu lächeln. Wir vermissen die entspannte, liebenswürdige Art der Iraner und werweissen, welche Faktoren die Menschen hier so hektisch und zuweilen streitbar werden lassen. Wir vermuten die gleichen Faktoren, die auch uns momentan zusetzen: Die Menschendichte, der konstante Lärm, die konstanten Sinneseindrücke, der chaotische Verkehr und natürlich die schier unerträgliche Hitze. Während wir uns dieser Einflüsse bewusst sind, werden die Menschen, die dieser Belastung dauernd ausgesetzt sind, bestimmt unterbewusst davon beeinflusst.

Wir essen Bananen und Zwieback, gucken auf den braunen Ganges und die wilden Hügel und sind dankbar, dass wir diesem fotogenen Durcheinander bald wieder entfahren können.

Am nächsten Morgen zwingen wir uns, zu einem frühen Start und finden uns bald auf einer engen, dichtbefahrenen Strasse wieder. Die Gegend ist flach, von Reisfeldern und einzelnen Baumgruppen geprägt wir kommen einigermassen gut voran. Um 11 Uhr wird die Temperatur unerträglich und es wird Zeit für eine Mitfahrgelegenheit. Während ich erschöpft im Schatten eines Baumes liege, winkt Louie jedes grössere Fahrzeug an, doch niemand hält für uns an. Herumstehende Leute starren uns an und fragen sich wohl, was wir hier suchen. Angesprochen werden wir nicht. Nach über einer Stunde schliesslich bremst ein Kleinlaster und lässt uns unsere Räder aufladen. Über 100 Kilometer nehmen uns die beiden Fahrer mit und bald stellt sich heraus, dass es sich bei unseren Rettern um indische Muslime handelt…

Irgendwo im Nirgendwo ist die lange Fahrt zu Ende und wir sind gezwungen, weitere 20 Kilometer bis zur nächsten grösseren Stadt mit dem Fahrrad zurückzulegen. Mittlerweile ist es später Nachmittag und die Fahrt auf der ruhigen Strasse durch die Felderlandschaft ist ein unerwarteter Genuss. Nach stolzen 80 Kilometern auf den Rädern und 100 Kilometer auf der Ladefläche des Kleinlasters finden wir uns beim Eindunkeln völlig erschöpft ein Hotelzimmer. Die Anstrengung fordert erneut ihren Tribut und den nächsten Tag verbringen wir nichts-tuend im angenehm gekühlten Zimmer, essen Bananen und Zwieback und freuen uns über den englischen Fernsehkanal.

Ein weiterer langer Tag mit Fahrradfahren und Autostopp bringt uns schliesslich bis nach Tanakpur.

Der breite Fluss Mahakali bildet hier eine natürliche Grenze und auch dieser Ort zieht zahlreiche hinduistische Pilger an. Auf der anderen Flussseite liegt Nepal! Auch hier gestaltet sich die Suche nach einem Zimmer schwierig. Einige Hostels lehnen uns ab, weil wir Ausländer sind, andere sind in so einem unappetitlichen Zustand, dass wir gar nicht erst fragen wollen. Schliesslich lassen wir uns aus purer Erschöpfung in einem soso lala Hotel nieder. In der schlammigen Nasszelle lässt sich immerhin kalt duschen, wir vermeiden direkte Berührungen mit Wänden und Boden, breiten unsere Seidenschlafsäcke aus und legen uns hin. Ein Ventilator fächert uns Luft zu und wir versuchen uns zu entspannen. Das gelingt einigermassen, bis die Dämmerung unzählige Mosquitos auf den Plan ruft. Draussen braut sich ein Sturm zusammen. Blitze zucken über den Himmel und Sturmböen fegen durch die Strassen. Der Strom und somit der Deckenventilator fallen aus und die Temperatur und der Diskomfort in unserer Kammer steigen markant an. Plötzlich wird unmittelbar unter unserem Fenster ein Generator angeworfen und mit dem Riesenlärm ist nun wirklich eine Grenze überschritten. Es ist bereits neun Uhr abends und draussen regnet es in Strömen, als wir uns dazu entscheiden, unseren Kram zusammenzupacken und uns ein besseres Zimmer zu leisten. Eins mit AC und akzeptabler Sauberkeit. Louie zieht los in die nasse Welt, begegnet im düsteren Untergeschoss einem riesigen Stier und macht sich auf die Suche. Ich packe in der Zwischenzeit unsere Habseligkeiten zusammen.

Wir haben die Nase unglaublich voll von dieser Hotelzimmersuche. So viel Zeit und Nerven und Geld kostet uns das. Ganz dringend wollen wir wieder zelten und draussen sein!

Erfolglos versuchen wir den Hotelbesitzer über unseren Weggang zu informieren. Wir klopfen an seine Türe, rufen gegen den heftig bellenden Hund an, erspähen seine Füsse durch das Gitterfenster- doch aufwecken lässt er sich nicht. Leicht besorgt verlassen wir das Hotel trotzdem.

Früh aufstehen und die Grenze überqueren mögen wir am nächsten Tag nicht. Wir beschliessen erneut, einen Pausentag einzulegen. Tanakpur ist ein spannender Ort, wunderbar gelegen in dieser fernen Ecke von Indien. Nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass der Hotelmann vom Vorabend keinen Herzinfarkt erlitten hat, schlendern wir durch den kleinen Ort, essen unsere Bananen und kommen allmählich wieder etwas zu Kräften. Wir sind bereit für Nepal!

2 Comments

  1. Moser Edith

    Unglaublich die Gegensätze zu der Gastfreundschaft der Menschen im Iran und der Situation in Indien! Dazu kommt die Hitze und das Unwohlsein nach einer schlechten Mahlzeit.
    Leider konnte ich die Berichte erst jetzt. fertig lesen. Ich hoffe aber fest, dass es noch weitere geben wird.
    Super, was ihr alles geschafft habt. Meine Hochachtung!

    Herzliche Grüsse Edith

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