Früh starten wir am nächsten Morgen Richtung Süden. Die Morgensonne zaubert ein wunderbares Licht auf die Fischerhütten und Flussmündungen und bringt die zahlreichen «Wat»- Tempel zum Glitzern. Von nun an geht es dem Meer nach- welches wir aber kaum zu Gesicht bekommen, da die Strasse und das Meer von breiten Salzfeldern getrennt werden. Die Landschaft ist immer noch weitgehend eine Scheibenwelt, die Strasse ist mehrheitlich gerade und unglaublich breit und die Fahrt ist etwas… ereignislos. Gebüsch und einzelne Kokospalmen, ein Hahn zur Abwechslung und ab und zu ein Auto. Ganz klar einen Streckenabschnitt, um uns mal wieder die Kopfhörer und etwas Musik zu gönnen. Unterbrochen wird die eher monotone Fahrt von gebratenen Bananen und Tarotwurzeln bei einer weiteren punkigen Tempelanlage in einem Fischerdorf und einem langen Nachmittag an unserem ersten thailändischen Strand. In einer kleinen Beiz bestellen wir einen Papayasalat- no spicy- und müssen ihn nach den ersten Bissen etwas verlegen zurückweisen, da unsere Nasen laufen, die Münder brennen und die Augen tropfen. Hier ist die Küste noch weitgehend vom internationalen Tourismus verschont. Die zahlreichen Resorts und Restaurants locken wohl in erster Linie die Wochenendbangkoker aus ihren Wohnungen. Wir kühlen uns im lauwarmen Meer etwas ab, halten Ausschau nach einem Übernachtungsplätzchen, um uns dann schliesslich nahe der Beiz bei den wenigen Bäumen niederzulassen. Unser zweiter Versuch mit den Hängematten läuft an. Während Louie leicht frustriert mit den verschiedenen Spannungsgraden herumexperimentiert, entschliesse ich mich bald dazu, auf einem der niederen Strandtischen zu schlafen. Matten haben wir zwar keine mehr, aber mit unseren Kleidersäcken lässt sich der harte Untergrund doch etwas polstern. Endlich ist eine Briese aufgekommen und kühlt uns etwas ab. Louie testet aus, flucht, hängt neu, testet aus, flucht erneut und schliesslich packt er die Hängematte entnervt in einen Sack und legt sich neben mich auf den Tisch. Wir dösen ein und der Wind wird stärker. Schliesslich müssen die Velos als Windschutz hinhalten, doch der Schlaf bleibt unruhig. Wir wickeln uns Schals um den Kopf um uns in den Böen nicht zu erkälten, drehen unsere Gesichter vom Wind ab und probieren es weiterhin mit Schlaf. Wenige Stunden später werden wir von einem neuen Problem geweckt. Der Wind hat sich gelegt und mit ihm der natürliche Insektenschutz. Meine Füsse, Beine und Arme jucken bereits und so rapple ich mich auf und krame unser Moskitonetz, Schnur und Klammern hervor. Irgendwann hält die Konstruktion und einige weitere Stunden Schlaf werden möglich.
Belohnt werden wir für die nächtlichen Mühen von einem erfrischenden Morgenschwumm im Meer und einer lustigen Begegnung mit den lokalen Rennvelofahrern. Heute überbietet sich die Strecke an Ereignislosigkeit und wir sind ganz froh, haben wir nur etwas über 40 Kilometer zu fahren. Heute zielen wir zu Paul, einem australisch-stämmigen Warmshower Host, der nahe Cha-am lebt. Er und seine thailändische Frau haben sich aus Schiffscontainern ein tolles Zuhause gebaut, trainieren professionell Hunde, betreiben ein Touring-Guide-Unternehmen und sind angefressene Velofahrer. Endlich können wir jemandem Fragen stellen über dieses manchmal etwas unzugängliche Land, zur unaussprechbaren Sprache, zur Politik, zu Routenideen, zum Essen und und und.
Gegen Abend fahren wir im Auto zurück nach Cha-am, wo uns Paul in sein Lieblingsrestaurant einlädt. Oh- wir fühlen uns wie Könige: Das Menü auf Englisch und eine Essensauswahl, die wir so schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Es gibt Holzofenpizza für Louie und ein Kartoffelgratin mit Salat für mich. Paul drängt uns auch zu einem Dessert und so löffeln wir im Anschluss mit viel Genuss ein Crème Brûlée und ein Schokoladenmousse in uns hinein. Yummy! Eigentlich vermissen wir das «westliche» Essen keineswegs. Die unterschiedlichen Lebensmittel und vor allem Zubereitungsarten in den verschiedenen Kulturkreisen gehören zu den Highlights auf unserer Reise. Seit wir jedoch in Thailand ohne Kocher unterwegs sind, ist unsere Ernährung und damit ein grosser Teil unseres Wohlbefindens in fremden Händen. Auch Sacks suchen wir weitgehend vergebens: In den unzähligen 7/11 Filialen findet sich wenig, dass wir ernsthaft als Nahrung bezeichnen würden. Das einzige Brauchbare sind die Halbliter Sojamilch Packungen, die wir immer mal wieder als kalte Erfrischung geniessen. Etwas unerwartet hat es sich in Thailand als sehr schwierig erwiesen, sich (mehrheitlich) vegetarisch zu ernähren. Das allgegenwärtige Fleisch (-artige) und auch das thailändische «scharf» übersteigt oft unsere Grenzen des Tolerierbaren. So geschieht es nicht selten, dass wir hungrig von Stand zu Stand spazieren, um am Schluss dann einmal mehr einen Fried Rice mit Gemüse und Ei oder eine Schüssel Nudelsuppe mit drei grünen Blättchen drin zu verspeisen. Wenn wir Glück haben, treffen wir aber auf die berühmten thailändischen Essensmärkte und dort findet sich immer irgendetwas Leckeres.
Wir beschliessen, die nächsten 300 Kilometer gegen Süden der Küsten entlang mit einem Nachtzug abzukürzen. So bleibt uns ein weiterer entspannter Tag in Cha-am bei Paul, mit Büro, Routenplanung, Ausflug zum Strand und grossartigen Essensmarkt, bevor wir uns spätabends verabschieden und uns zur Zugstation aufmachen.
Die meisten Züge hier verfügen über einen Gepäckwagen und so stellt der Transport unserer Räder gar kein Problem dar. Eine Reise in der dritten Klasse bedeutet eine Nacht im Sitzen und klapprigen Deckenventilatoren, die etwas Bewegung in die klebrige Tropenluft bringen.
Im Morgengrauen fahren wir schliesslich in Champhon ein, einer Stadt gleich dort, wo sich Thailand auf der Karte im Süden wieder etwas verbreitert. An einem kleinen Stand neben dem Bahnhof werden wir von freundlichen Gesichtern begrüsset und gleich zu Kaffee, Tee und frittierten Teigklumpen eingeladen. Ein wunderbarer Start in einen etwas übermüdeten Tag. Die obligate Schicht Sonnencreme wird aufgetragen und schon treten wir in die Pedalen, um uns der thailändischen Westküste anzunähern. Wir fahren von nun an auf einer unglaublich breiten Hauptstrasse, die sich in grossen Wellen in das hügelige Grenzgebiet zu Burma frisst.
Diese einzige Hauptstrasse scheint wie eine Lebensader, die die kleinen Siedlungen im dichten Wald an den Rest der Welt anschliesst. Die Hügel und die Strasse werden immer wieder von Palmöl- und Kautschukwäldern gesäumt. Schon heute erreichen wir den breiten Grenzfluss, der zwischen Thailand und Burma eine natürliche Grenze bildet. Das Land auf der anderen Flussseite wirkt trotz der kurzen Distanz unglaublich fern. Hinter der Siedlung bedeckt dichter, wilder Wald die Hügel. Keine Strassen, keine Plantage oder sonstigen menschlichen Eingriffe sind zu erspähen. Wie es ihnen wohl geht, den Burmesen da drüben? Wir fahren bis in die Nacht und gönnen uns nach der rumpeligen Zugfahrt und dem langen Tag eine gekühlte Unterkunft, die uns eine willkommene Pause vor der Feuchtigkeit beschert.