Noch mehr Meer
Noch mehr Meer

Noch mehr Meer

Unfassbar schön ist sie, diese Insel. Die Menschen hier leben in wunderhübschen Stelzenhäusern, oft mit Schnitzereien geschmückt, pflegen ordentliche Blumebeete und verzichten mehrheitlich auf Autos. Motorräder und Scooter dienen zur Fortbewegung, was bei der bescheidenen Grösse der Insel auch vollständig ausreicht. Die Leute sind unglaublich freundlich! Alle winken sie uns zu und grüssen freudig und wir fühlen uns wie in einem neuen Land. Die Insel ist viel zu schnell überquert und wir finden uns in einem grösseren Dorf wieder. Ein Übernachtungsplätzchen ist gefragt und wir erspähen einen geeigneten Ort bei einer Schule. In der Dunkelheit bauen wir- mittlerweile halbwegs geübt- unsere Hängematten-Moskitonetz-Konstruktion auf, finden einen Schlauch, mit dem sich ganz gut Duschen lässt, putzen die Zähne und wollen uns gerade in die Matten verabschieden, als der Scheinwerfer eines knatternden Motorrads immer näher und schliesslich bei uns zum Stehen kommt.

Zwei Typen steigen ab und begrüssen uns. Der jüngere spricht passables Englisch und erklärt uns, dass das hier eine Schule und somit «Possesion of the King» sei und «not save». Wir fühlen uns hier definitiv genügend sicher und sind gelinde gesagt etwas genervt, dass wir nun im Namen unserer Sicherheit unser komfortables Camp wieder abbrechen sollen. Der junge Mann windet sich und beide entschuldigen sich mehrmals, doch sie bleiben dabei. Wir sollen zum nahen Polizeiposten und uns dort einrichten. Wir müssen uns geschlagen geben, montieren alles wieder ab und folgen den beiden zum Posten. Immerhin wird akzeptiert, dass wir lieber draussen als in einem stickigen Zimmer übernachten und so hängen wir unsere hängenden Betten unter einem Vordach mitten im Dorf auf. Die Beleuchtung bleibt leider die ganze Nacht an, doch auch hier lässt es sich schlafen. Der Ärger verfliegt schliesslich und wir finden uns mit unserem neuen Plätzchen ab. Eigentlich ist es erstaunlich, dass uns so was nun, nach über 13`000 Fahrkilometern zum ersten Mal passiert!

Eine weitere Fähre bringt uns am nächsten Morgen von der Insel auf einer spektakulären Fahrt zurück zum Festland. Hier ist die Gegend weder flach noch hügelig, sondern wird von markanten Karstfelsen geschmückt, die aus dem Land und aus dem Meer steil in den blauen Himmel ragen. Diese Gegend von Thailand ist weltberühmt für ihre spektakulären Kletterfelsen und Strände. Wir haben uns auf der Karte den Stand Ao Nang ausgewählt für unsere nächste Übernachtung. Wie sich schnell herausstellt, ist dieser Strand ein beliebtes Ferienziel und so lernen wir den Tourismus doch noch etwas aus der Nähe kennen. Schicke Strandkaffees und Resorts, die unser Budget und Ansprüche weit übersteigen, säumen die Küste. Unsere geübten Augen führen uns aber zielsicher an das Strandende. Hier gammeln ein paar geschlossene Strandbars vor sich hin und wir finden alles, was wir brauchen: Schattenspendende Bäume, ein Plan B-Dach mit Säulen für den allfälligen nächtlichen Regenschauer, ein WC, ein Wasserschlauch zum Duschen und natürlich den einladenden Strand. Günstiges Essen und Trinkwasser müssen von etwas weiter weg beschafft werden, aber wir haben ja zwei Fahrräder dabei. Wir verbringen den Nachmittag mit Baden, Dösen und Lesen und freunden uns mit dem taubstummen Maisverkäufer an, der hier eine echte Strandlegende zu sein scheint. Mit ihm lässt sich einfacher kommunizieren als mit so manchen sprechenden Thais; seine Gestik und Mimik ist perfektioniert! Wir zeichnen abwechselnd Landkarten in den Sand und berichten uns gegenseitig von unseren Reisen. Der Maismann ist ebenfalls schon rumgekommen; er hat Laos und Thailand mit dem Motorrad durchquert. Hier am Ao Nang hat er seine perfekte Geschäftslücke gefunden: Auf Bambuskohle grilliert er Maiskolben, die er dann für 50 Bath pro Stück (normalerweise kostet so ein Maiskolben 20 Bath) an die westlichen Touristen verkauft. Sein Geschäft läuft grossartig- man kennt ihn- und die abgeknabberten Maiskolben werden von den Strandspatzen noch vollends abgepickt.

Der Maismann merkt bald, dass wir gedenken, an diesem Strand zu übernachten. Offensichtlich gefällt ihm unser Plan, denn er zeigt uns, in welchem Strandteil wir unsere Ruhe haben, welche Steckdose zugänglich und funktionsfähig ist und wo wir eine gratis Toilette finden.

Den nächsten Tag verbringen wir im Ferienmodus und leisten uns eine Longtailbootsfahrt zum nahen Railay- Strand. Wir klettern über einen sehr rutschigen Pfad hoch (und runter) zu einer Dschungel-Lagune und machen uns dann auf, um den originalen Ton Sai-Kletterstrand zu besuchen. Vor ungefähr zehn Jahren war ich schon einmal hier und staune nicht schlecht, als ist keines meiner Erinnerungsbilder wiedererkenne. Wo einmal die internationale Kletterszene einen wunderbaren Hippystrand samt selbsgebastelter Bars, Bungalows und einzigartiger Kletterwände für sich hatte, wiegen sich nun hochgeschossene Kokospalmen im Wind und ein weiteres gesichtsloses Resort beansprucht den Ort exklusiv. Wo sind sie nun hin, die Kletterer? Irgendwo müssen sie sein, denken wir uns und machen uns auf den Weg, um sie zu finden. Wir verlassen den Strand und schlendern einer trüben Betonmauer entlang Richtung dahinterliegendem Dschungel. Zerfallende Zeugen meiner Erinnerung säumen den Weg: Selbstgezimmerte Bars, zerschlissene Hängematten, ehemalige Standbeizen. Insgesamt bietet das Ganze ein ziemlich trauriger Anblick. Die Mauer zieht einen grossen Bogen um das Resort und versperrt die Sicht zum Strand. Schliesslich treffen wir doch noch auf etwas Leben und vor allem: Auf Essen nach unserem Geschmack (und in unserer Preisklasse). In dieser heruntergekommenen, aber trotzdem symphytischen Ecke am Stand ohne Strandzugang finden wir die Überreste der ursprünglichen Szene. Wir werden begrüsst wie alte Freunde und sind bald mit einem spanischen Pärchen, einem Engländer und den thailändischen Locals im Gespräch. Die Fried Rice Portionen sind auf hungrige Kletterer ausgelegt und werden auch uns Velofahrern gerecht. Offenbar tauchte vor ca. 10 Jahren ein Investor auf und liess zuerst einmal die gesamte vorhandene Infrastruktur der Szene in den Dschungel verschieben. Die Bars, die Bungalows, alles musste vom Stand entfernt und 200 m zurückversetzt werden. Dann kam für viele Jahre erst einmal gar nichts, bis schliesslich die schreckliche Mauer und das Resort aufgebaut wurden.

«Doch doch, wir sind trotz der Hitze am Klettern», meint der fröhliche Engländer und wir versuchen uns das vorzustellen: Schweissige Hände, heisser Stein, Sonnenbrand und Hitzestich. Phu, da gehen wir doch lieber etwas im lauwarmen Meer baden. Etwas erleichtert darüber, dass die Kletterer nicht vollends vertrieben wurden und etwas bedrückt darüber, das Kapital immer mächtiger scheint als Enthusiasmus, verlassen wir Tonsai und machen uns auf den Nachhauseweg zu unserer ruhigen Ecke am Ao Nang, wo wir eine weitere Nacht verbringen.
Nun heisst es, Thailand einmal von West nach Ost zu durchqueren, um an die Ostküste und an die Grenze zu Malaysia zu gelangen.

Fast in der Mitte- in Trang- dürfen wir zwei Nächte bei Kim und seiner Familie verbringen. Kim ist Amerikaner und seine Frau Bua Thailänderin. Die gemeinsame Tochter Jenna muss zuweilen als Dolmetscherin herhalten und wir kriegen einen kleinen Einblick in die potenziellen Kommunikationsherausforderungen eines internationalen Paares mit völlig unterschiedlichen Muttersprachen. Kim scheint über die letzten Jahre sämtliche Weitvelofahrer beherbergt zu haben, die durch diese Ecke der Welt pedalen . Sein Gästebuch überquillt mit Karten, Grussbotschaften und Erinnerungsfotos und Kim wird nicht müde, uns von all den Langzeitprojekten Anderer zu berichten.

Der nächste Tag ist ein Schulferientag- die Königsmutter feiert Geburtstag- und wir kommen unverhofft zu einem weiteren Strandausflug, dieses Mal im Thailand-Stil: Morgens fährt man los und unterwegs füllt man die grosse Kühltruhe mit Eiswürfeln, Coladosen und eingeschweisster Snack-Häppchen. Einmal angekommen sichert man sich einen guten Platz im Schatten und mietet sich eine Picknickdecke. Jenna und wir spielen Haifischspiele im Wasser und irgendwann bestellen wir uns was von der nächsten Strandküche an einen nahen Tisch. Der Tag vergeht im Flug und wunderbar sandig-salzig machen wir uns auf den Nachhauseweg.

Eine letzte Tagesetappe bringt uns über eine wilde Hügelkette in das Städtchen Phattalung. Hier gönnen wir uns ein kühles Zimmer, organisieren uns ein weiteres Zugticket, geniessen den Nachtmarkt und besteigen früh am nächsten Morgen den Zug an die Grenze nach Malaysien. Das Timing geht gut auf: Unser Thailandvisum läuft am gleichen Tag ab, an dem wir uns nach einer langen, heissen Zugfahrt und einem letzten thailändischen Fried-Rice der malaysischen Grenze nähern. Wie bei jeder Grenzüberquerung sind wir gespannt auf das neue Land und freuen uns auf das «Finde den Unterschied»-Spiel der ersten Tage.

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