Schweren Herzens reissen wir uns nach drei wundervollen Tagen los von Botec. Die Tagesetappe ist kurz, wir steuern den Küstenort Salande an, von wo wir einigermassen spontan die Fähre nach Korfu und somit Griechenland nehmen wollen. Christina, eine bekannte von Louie hat uns überredet, ihren Eltern in Korfu einen Besuch abzustatten. In der Hoffnung auf eine nette Einführung zu Griechenland besteigen wir die überteuerte Fähre und treffen eine Stunde später als erwartet in der Hauptstadt ein. Wir haben soeben eine Zeitzonengrenze überfahren! Korfu übertrifft unsere kühnsten Vorahnungen, was touristische Ausreizung betrifft. Bald nach der Ankunft finden wir uns im Töpfereistudio der Eltern wieder, kriegen gnädigerweise einen Kaffee serviert fühlen uns ansonsten eher als Störfaktor. Völlig ohne Enthusiasmus beantwortet die Mutter meine Fragen, stellt uns aber keine einzige Gegenfrage. Weder unsere Reise noch das Leben der Tochter in der Schweiz scheint von Interesse zu sein. Der Kollege Christinas, der uns ein Übernachtungsplätzchen hätte anbieten sollen, nimmt erst sein Telefon nicht ab und als er es dann doch noch tut, teilt er uns mit, dass er von nichts weiss, gar nicht vor Ort ist und uns leider nicht weiterhelfen kann. Mittlerweile ist es dunkle Nacht und wir sehen uns gezwungen, im nächtlichen Korfu einen sicheren Ort für unser Zelt ausfindig zu machen.
Nach dem Studium der Stadtkarte auf Maps.me entschliessen wir uns, es im Segelclub zu probieren. Wir quatschen einen älteren Herrn an und dieser sendet uns in französischem Akzent zu einem gewissen Dimitri, der uns weiterhelfen kann. Dimitri blickt uns zwar etwas entgeistert an und zweifelt an seiner Kompetenz für solche Entscheidungen, meint aber, dass es wohl niemanden stören würde, wenn wir auf dem Clubgelände unser Zelt aufschlagen für eine Nacht. WC da, Wasserhahn dort.
So kochen wir bald unmittelbar neben dem «Old Fortress of Corfu» unser verspätetes Abendessen, wundern uns über unsere seltsame Situation und die ersten Eindrücke dieses neuen Völkleins. Wir verbringen die Nacht neben Clubbeats und Meeresraschen. Am nächsten Tag brechen wir zeitig auf, um die Insel der Länge nach zu überqueren und auf dem schnellsten Weg wieder zu verlassen. Wir sind beide froh, am Nachmittag wieder auf dem Festland zu sein, bereuen aber etwas die unnötigen Ausgaben für die Fähre und die verpassten albanischen Küstenabschnitte. Der Tag bringt unerwartet viele Höhenmeter und gegen Abend ziehen wir an einem langen Sandstand bei Loutsa in einen Rohbau gleich am Meer ein. Ein Gewitter zeiht auf, das erste von vielen wie sich noch zeigen wird.
In der Nacht entgehen wir glücklicherweise einer Vollflutung des Zeltes, zügeln dieses am Morgen aber schleunigst in das staubige, aber trockene Erdgeschoss, da schnell klar ist, dass heute nicht an Velofahren zu denken ist.
Das einzige Restaurant, welches noch keine Winterpause macht, liegt zwei Häuser weiter und wird schnell zu unserem heutigen Aufenthaltsort. Zu Feier des erzwungenen Pausentages gönnen wir uns erstmal ein leckeres Frühstück mit Rührei nach griechischer Art und freunden uns dann mit einigen der ebenfalls festsitzenden deutschen Gleitschirmpiloten an. Der Tag vergeht mit Kartenspielen, Blog schreiben, Fähren-Recherchen und Regenspektakel beobachten.
Bei immer noch sehr unsicherer Wetterlage brechen wir am nächsten Morgen unser Zelt ab. Die Wellen rollen immer noch in eindrücklicher Grösse und Regelmässigkeit an den Strand und Louie zuckt es in den Fingern. «There must be surfing here!», meint er immer wieder. Einige Kilometer weiter entdecken wir sie dann tatsächlich: Die griechische Surferszene! Zugeschaut wird nicht lange- Louie entlehnt sich ein Brett und tummelt sich schon bald im T-shirt neben den neoprenbekleideten Locals auf den Wellenkämmen. Die Szene ist eindrücklich: Am Horizont wird die bedrohliche Gewitterwolke von Blitzen erleuchtet und hier am Strand jagt eine handvoll Jungs die Wellen. Mittlerweile hat es zu regnen begonnen. Als wir 30 km später schliesslich Preveza erreichen, sind wir trotz Regenausrüstung anständig durchnässt. Dank einer tollen Bäckerei und einem leckeren Kaffee kommen erwärmen wir uns wieder etwas. Wir sammeln unsere Kräfte für ein entscheidendes Unterfangen: Heute wollen wir den Unterwassertunnel von Preveza Richtung Voniza durchqueren. Von Daniel- einem CH-Tourenfahrer in Gegenrichtung- haben wir vor ein paar Tagen erfahren, dass der Tunnel zwar gesperrt ist für Velos, aber «isch voll iisi, münder unbedingt mache!» Der Tunnel erspart uns einige hundert Kilometer Weg und ist daher schnell fix eingeplant.
In strömendem Regen fahren wir zur Einfahrt. Ein wichtig aussehender Pick-up steht gleich davor geparkt. Selbstbewusst überholen wir diesen und steuern geradewegs auf den Eingang zu. Schwupps, schon hat uns der gelbe, jetzt blinkende Pick-up überholt und versperrt uns der Weg. «No!», meint der wenig kommunikative Beamte.
Mit einigem Adrenalin im Blut radeln wir auf dem Pannenstreifen in die Gegenrichtung und beginnen, für jedes grössere Fahrzeug den Daumen aufzustrecken. Mittlerweile regnet es in Strömen und unsere Lage scheint ziemlich aussichtslos. Als das blinkende Gefährt den Tunneleingang kurz freigibt, wittern wir unsere Chance und radeln durch den Regen erneut Richtung Eingang. Zu früh gefreut; in rasantem Tempo überholt uns das Fahrzeug von hinten und versperrt uns erneut den Weg. Kurzerhand gehe ich zum Fenster und frage die beiden Beamten, ob sie uns vielleicht auf die andere Seite nehmen können? Das Tunnel ist schliesslich nur wenig länger als ein verflixter Kilometer und der Pick-up böte reichlich Platz für unsere Velos. «No, not possible», lautet die Antwort, und der einer streckt mir einen Zettel mit einigen Telefonnummern durch den Fensterschlitz entgegen. Anstatt die Nummern der Taxiunternehmen durchzutelefonieren, versuchen wir es weiterhin mit dem hoffnungsvollen Daumen, allerdings ohne Erfolg. Diverse Touristen winken uns freundlich aus ihren riesigen Campern zu, um dann motiviert aufs Gas zu drücken und uns weiterhin im Regen stehen zu lassen.
Dann plötzlich sehen wir, wie der Pick-up abdreht und tatsächlich auf der Zufahrtsstrasse verschwindet. Unsere Chance! Mit einiger Angst vor einer hohen Busse oder mühsameren Schwierigkeiten schwingen wir uns erneut auf unsere Velos und machen uns an die Durchführung des ursprünglichen Plans: Durchfahrt auf eigene Faust. Glücklicherweise hat es auf der ganzen Strecke ein genügend breites Trottoir und wenig Verkehr. Wir geben Gas und sind uns der zahlreichen Überwachungskameras nur allzu bewusst. Kurz vor dem Tunnelende überholt uns doch noch ein Fahrzeug. Ein gelber, blinkender Pick- up. Mindestens sind wir jetzt bereits auf der anderen Seite und wir haben uns ausgerechnet, dass uns die Zeitersparnis ein gewisses «Bussenbudget» ermöglicht. Der Beamte begrüsst mit dem altbekannten «It is not allowed to drive with bicycle. Only with bus or taxi.” Auf meinen scheuen Einwand, dass es ja gerade gar keinen Verkehr gehabt habe, und wir daher angenommen hätten, wir könnten einfach schnell durchfahren, erklärt er uns, dass der Verkehr gestoppt wurde, sobald wir auf den Sicherheitskameras entdeckt worden waren.
Die Worte «police» und «we called» fallen, aber etwas verwirrt und erleichtert erkennen wir, dass wir offenbar mit einem Rüffel davonkommen und unbehelligt weiterziehen dürfen! Was für eine Erleichterung! Sogar der Regen hat sich für einige Stunden zur Beratung für das nächste Sturmprogramm zurückgezogen und schenkt uns eine Pause.