Istanbul
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In Edincik dreht sich alles um die Oliven. In jeder Strasse stehen mehrere Traktoren und sämtliche Menschen scheinen irgendwie mit der Ernte oder der Verarbeitung der kleinen Frucht beschäftigt.

Einen weiteren Tag sind wir auf der E90 in riesigen Kurven und unscheinbarem Auf- und Ab dem Marmarameer entlanggefahren. Bevor wir uns Morgen die Schnellfähre nach Istanbul schnappen, biegen wir von der grossen Strasse ab und landen im Dorf Edincik. Erstaunt fahren wir im Schneckentempo durch die unerwartet hübschen Strassen. Überall wachsen Olivenbäumchen am Strassenrand und viele der Häuser wirken sehr alt, sind aber gut gepflegt. Durch grosse Fenster können wir Einblicke in kleine Olivenpressen erhaschen. Flinke Hände lesen Blätter und kleine Äste aus den Olivenbergen, die durch die Presse laufen sollen. Bald spricht uns ein älterer Herr in eingerostetem Deutsch an und lädt uns zum obligaten Çay ein. Wir erfahren, dass auch er einen Olivenhain bewirtschaftet, der Kilopreis für die Roholiven bei lediglich 5 Lira (5 Rappen) liegt, für das Öl aber pro Liter 50 Lira (5 Franken) bezahlt wird. Einen etwas besseren Preis lässt sich erzielen, wenn man seine Ernte in einen Lastwagen packt und damit direkt nach Istanbul an den Markt fährt.

Am nächsten Morgen fahren wir durch die ausgedehnten Olivenwälder, die die Ortschaft umgeben. Die uralten Bäume stehen schon hunderten von Jahren an diesen Hängen und beobachten die wunderlichen Machenschaften der Menschen.

Die Fähre von Bandirma nach Istanbul fühlt sich an wie ein Flugzeugflug. Nach gut zwei Stunden erreichen wir in der Dunkelheit die legendäre Stadt an ihrem Südhafen. Unsere Warmshower-Hosts wohnen in einer ganz anderen Ecke des 16 Millionen Fladens und so steht uns eine abenteuerliche und leicht stressige Stadtdurchquerung bevor. Um nach Üskündar zu gelangen, müssen wir zuerst die historischen Stadtteile Faith und Sultanahmet durchqueren, dann die passende Pendler-Fähre über den Bosporus ausfindig machen und noch einige Kilometer im Quartier zurücklegen. Als krönender Abschluss stossen wir unsere Räder die steilste Strasse hinauf, die wir uns vorstellen können. Unser Gastgeber Siawash winkt uns aber glücklicherweise auf dem halben Weg direkt in die gemütliche Wohnung und wir fühlen uns gleich wie Zuhause. Der freche persische Hund Marley hüpft aufgeregt auf und ab und der knapp zweijährige Ryan beobachtet uns mit grossen Augen. Siawash und seine Frau Afsaneh sind gebürtige Iraner und leben aber schon seit acht Jahren in Istanbul.

In den kommenden drei Tagen geniessen wir die sehr symphytische kleine Familie, das prächtige Herbstwetter und erkunden die Stadt.

Üskündar gefällt uns besonders gut. Das Viertel, welches im asiatischen Teil von Istanbul liegt, ist lebendig, multikulturell, gleichzeitig modern & traditionell, wenig touristisch und erinnert uns mit seinen weissen, osmanischen Holzhäusern an den steilen Hügeln und den vielen Bäumen und Gärten an Wellington (NZ). Am 29. Oktober- unserem ersten ganzen Tag in Istanbul- ist zugleich Tag der Republik und die ganze Stadt ist mit unzähligen Türkeifahnen geschmückt. Mit Inbrunst feiern die Istanbuler Kemal Atatürk, den allseits beliebten liberalen Begründer der Republik. Nach einem langen Tag im europäischen Teil der Stadt stolpern wir am Abend vor unserer Haustüre in ein feucht fröhliches Strassenfest mit Musik und Tanz. An unserem zweiten Tag nehmen wir uns erneut die typischen Sightseeing-Orte vor; jedoch auch heute erfolglos. Wir lassen uns wie immer treiben, schlendern dahin, wo es uns interessant scheint und verbringen so auch mal vierzig Minuten in einem Sockengeschäft oder lassen uns spontan die Haare schneiden.
Am «Ägyptischen Markt» besuchen wir eine flüchtige Fährenbekanntschaft, der sich tatsächlich als Chefverkäufer von «Hazer Baba» entpuppt und uns zur Degustation seiner Turkish Delights einlädt. Wir gehen wohl in die Geschichte des Geschäfts ein als die allerschlechtesten Gäste: Tee getrunken, geplaudert, nichts gekauft und eine Schachtel der süssen Dinger geschenkt gekriegt.

Mit Istanbul haben wir auch ein weiteres Etappenziel erreicht und es ist an der Zeit, unsere nächste Etappe etwas genauer zu planen. Um nicht tagelang durch die Vorstädte fahren zu müssen, werden wir die Fähre direkt nach Yalova nehmen. Von dort soll es quer durch die Landesmitte zu unserem nächsten Etappenziel Cappadocien gehen. Über die Karte und unsere Kartenapps gebeugt, stellen wir uns eine ungefähre Route für die nächsten knapp 1000 Kilometer zusammen.

Nach den drei ganz unterschiedlichen Tagen verabschieden wir uns etwas schweren Herzens von unseren iranischen Gastgebern.

Wieder auf den Velos zu sitzen und durch immer neue Landschaften zu brausen, ist aber ebenfalls ganz ausgezeichnet!

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