Nach einer regnerischen Nacht im «Bear Camp»- einem kleinen Camping nahe dem Plitvica Nationalpark starte ich etwas zögerlich in den Tag. Ich habe mich gegen einen Besuch im Park entschieden und hoffe aber auf ein paar schöne Einblicke von der Strasse aus. Unerwartet finde ich mich eine Stunde und einige Höhenmeter später aber trotzdem im Park wieder. Als Velofahrer hat man offenbar erleichterten Zugang direkt von der Strasse aus. Auf hölzernen Stegen werden hier täglich 1000ende von Besuchern über die tiefblauen, auf verschiedenen Ebenen gelegenen Seen geführt. Ich gönne mir einen kurzen Rundgang in diesem UNESCO Weltkulturerbe. Meine Route auf outdooractive.com führt mich gleich nach den Seeen endlich wieder von der hochfrequentierten Strasse weg- ich eine Strasse mit Verbotsschild und der Aufschrifft «Zufahrt nur für die lokale Bevölkerung». Ich zähle mich als Radlerin da mal grosszügig dazu und innert Minuten finde ich mich auf einer verschlungenen Strasse durch einen wunderschönen Wald wieder. Die alten Buchenbäume scheinen zu flüstern und sprechen und ehrfürchtig tauche in ein in diese lebendige Wald-lunge. Für zehn Kilometer schlängelt sich die Strasse durch das Grün und nach einem ersten kleinen Weiler treffe ich auf Anja und Carlos. Sie sind ebenfalls Schweizer und erstaunt vergleichen wir die scheinbar zufällige Routenfindung unserer jeweiligen Orientierungapps. Wir radeln ein Stück zusammen weiter, trinken in einem rauchigen Dorfspunten einen Kaffee zusammen und geniessen den kurzen Austausch bevor ich mich aufmache, doch noch ein paar Kilometer unter die Räder zu bringen heute. Der Himmel ist inzwischen aufgebrochen, die Landschaft ebenso. Der endlose Wald hat loser Landwirtschaft Platz gemacht. Jeder scheint sich hier ein paar Schafe fürs Fleisch, ein zwei Kühe für die Milch und die obligaten Hühner zu halten. Immer wieder sind die Tiere in kleinen Gruppen auch ohne Haag irgendwo am Herumziehen.
Nachdem ich bei ihr ein paar Tomaten und Kartoffeln für mein Abendessen eingekauft habe, frage ich Yasipe, ob ich mein Zelt bei Ihnen unter dem Dach aufstellen könne. «Mosche mosche,» heisst es schnell. Kein Problem und wenig später tischt sie mir Nudelsupp, Aufschnitt und Brot auf. Mit ihrem Mann trinke ich einen selbstgebrauten Zwetschgenschnapps und so schlafe ich auch in dieser Nacht sicher und tief.
Der nächste Tag bringt mich gute 90 km weiter, zuletzt in stömendem Regen. Irfan und Svetlana nehmen mich durchnässte Radlerin bei sich auf und verwöhnen mich wie eine Tochter. Zum Aufwärmen gibts den obligaten Selbstgebrauten und zur Stärkung ein leckeres Abendessen. Später sitze ich mit einem Glas kroatischem Rotwein in ihrer Küche und wir unterhalten uns mit der Hilfe von Google Translate. Die Gastfreundschaft ist noch lange nicht erschöpft. Am nächsten Morgen fahren wir zu viert ins Kaffee und im Anschluss gibt’s eine kleine Tour in der Umgebung. In regelmässigen Abständen stoppt Branko das Auto und ich werde aufgefordert, ein Foto zu machen. Nach dem Stopp beim Supermarkt werde ich mit Jaffa und Schokolade beschenkt; Stärkung für die Weiterfahrt. Ich bin gerührt, geehrt und werde auch diese herzliche Begegnung in Erinnerung behalten.
Die Fahrt an diesem Tag ist ebenfalls ein Highlight. Gestärkt mit Svetlanas «Weggipfeln» strample ich über einen kleinen Pass im Velebit-Park. Hohe, weisse Karstfelsen türmen sich auf beiden Seiten der Strasse auf. Ich überquere die Passhöhe und staune nicht schlecht: Vor mir öffnet sich eine total neue Landschaft! Ein warmer Wind bläst mir entgegen, von Herbstvorboten keine Spur mehr, dafür rieche ich Pinien, Zedern und Feigenbäume, anstatt Bäume wachsen kleinblättrige Sträucher und Olivenbäume und in der ockerfarbene Ebene vor mir sind tiefblaue Seen und Flüsse zu erkennen. Dieser abrupte Wechsel ist völlig surreal und unerwartet. Ab sofort bin ich im Mittelmehrraum!
In Benkovac werde ich von Nikola sehr spontan auf ein Bier und einen Snack eingeladen und weiter geht’s ans Meer! Plötzlich finde mich zwischen Heerscharen von servelatfarbigen Touristen wieder und suche mir schliesslich ein verstecktes Übernachtungsplätzchen in einem Olivenhain. Petar und seine Hündin Bella entdecken mich aber und ehe ich es mir versehe, bin ich auf eine Dusche und einen Kaffee am nächsten Morgen eingeladen. Unglaublich, dass sich in so einem touristischen Ort noch Menschen wie Petar finden lassen. Leise lebt er sein Leben zwischen all den Wohnwagen und Urlaubern, muss sich damit abfinden, dass Handwerker wie er während den Sommermonaten keine lauten Arbeiten verrichten dürfen. Das kleine Haus seiner Familie steht schon seit 1918 hier; damals gab es noch keine Autocamps und Barmeile. Jeden Morgen geht er mit seinem kleinen Boot fischen, heute gab es aber «no fish».
Weiter geht’s auf der Hauptstrasse der Küste entlang. Immerhin wissen die Deutschen, wie man Velofahrer anständig überholt! Etwas verzweifelt suche ich am Abend ein Plätzchen. Wildcampen scheint hier je länger desto schwieriger. Aber ich habe einmal mehr Glück! Gerade noch rechtzeitig treffe ich Alexis aus Patagonien; ebenfalls mit schwerbepacktem Velo unterwegs. Wir beschliessen, am gleichen Ort zu übernachten und verbringen einen sehr gemütlichen Abend an einem wunderbaren Plätzchen. Wildcampen ist für mich definitiv angenehmer zu zweit!
Unglaublich, was Du alles erlebst. Deine Blog-Berichte sind hoch spannend zu lesen. Du bist eine gewiegte Schriftstellerin. Sicher musst Du nachher ein Buch schreiben. Ich wünsche Dir weiterhin gute Fahrt und viel Glück
Hoi Simone
Deine Beiträge sind super spannend zu lesen! Vielen Dank! Es ist toll, dass ihr einen solchen Blog habt! Das Reisefieber packt einem gleich 🙂
Wir wünschen euch beiden, aber bsonders jetzt noch dir eine gute Weiterreise mit vielen schönen Begegnungen.
Raphi und Moni